Nina Hagen – jim-rakete1

Nina Hagen live über Brecht, Trump, Thunberg und neues Album „UNITY“

Nina Hagen singt Brecht. Oder besser gesagt – sang! Was gibt es neues, wann wird sie wieder auftreten, hat sie ihre Stimme operieren lassen, wie sie es vor zwei Jahren ankündigte und ist ihr versprochenes Album fertig? Im Dezember 2022 war es dann soweit. 

„UNITY“ ist jetzt in 2022 erschienen. Kaum jemand hat davon bisher irgendwie Notiz genommen. Auch in 2023 ist es nicht laut um die Sängerin geworden. Deshalb blicke ich mal zurück:

Rückblick, auf einen Brecht-Abend, der in Erinnerung geblieben ist:

Sie ist eine Ikone, die, nicht nur mit ihrer (fast) rauen Heiser-Stimme Blues sang, sondern eine Friedens-Aktivistin ist, sich als diese outete und eine verbal politisch motivierte Salve abschoss! Mein erstes Mal mit ihr, Brecht und Erzählungen aus vergangenen Jahren über Nazis ´87, ihr neues Album 2019, ihre Ehrenämter, Elektroautos, „Kramp Knarrenbauer“, Greta Thunberg und und und…

Im Hippie-Look auf Bühne

Hamburg, Schauspielhaus, 25. September, 2019.
Im modernen Hippie-Look schlenderte die Brünette im fast ausverkauften Haus auf die Bühne, hatte nur ihren Gitarristen im Gepäck: „Alle anderen mussten Zuhause bleiben!“ Nachdem vor einem halben Jahr die Show wegen „Krankheit“ abgeblasen/verschoben wurde, gab es endlich wieder den Brecht-Abend, ohne Zugabe:
„Entschuldigt bitte, aber ich bin noch nicht unters Messer gegangen. Denn ich muss das machen, was auch Bonnie Tyler tat – die Stimmbänder reparieren lassen. Mal ist sie da, the voice, dann wieder nicht…“

Und so krächzte die ehemalige DDR-Röhre (Du hast den Farbfilm vergessen) die ersten Sätze ins Micro, die einen verrucht-verrauchten Scharm hatten. Irgendwie cool. Vorgebeugt, was das neue Album betrifft, wurde trotzdem: „Wir waren in London und haben dort produziert. Es wird toll und die Stimme hat gehalten!“

Nina Hagen im modernen Hippie-Look im Hamburger Schauspielhaus.

Klimagipfel: Top-Thema

Greta Thunberg war mit ihrer Klima-Zorn-Rede gleich das Top-Thema: „Wenn mir Kinder androhen würden, nie zu verzeihen, wenn wir das versauen sollten.., ja, dann nehmen wir doch die Beine in die Hand und machen was…“, so Nina Hagen.
Die Leute finden das gut und applaudieren lange.

„Ich selbst habe mal ein paar Arbeiten zusammengestellt. Zum Beispiel gibt es wunderbare Dokus, wie „National Bird“, in denen Drohnen per Knopfdruck zum Schießen befehligt werden oder andere über „Wetterkriege„…“ Die 64-jährige ist nämlich ehrenamtliche Friedens-Aktivistin, zusammen mit SOS-Kinderdörfer. Sie machen sich stark für Waisen-Kinder aus Afghanistan und unterstützten sie.

Gegen Rechts

Weiter schimpft sie über Nazis, „mit denen man nicht reden kann…“, sondern sie würden gleich „zukloppen“, wie ´87, es auf einem West-Berliner Konzert von den Toten Hosen gewesen sei.
Ich ergänze und sage noch das, was Hagen sicher vergaß zu erwähnen: Die Kommunisten sind ebenso, haben mit denselben faschistischen Machenschaften versucht, ihren Sekten-Willen einem ganzen Volk aufzuzwingen! Schließlich hat die Tochter von Eva-Maria das Meinungsverbot am eigenen Leib zu spüren bekommen und verließ die DDR deshalb.
Der „Psychopat“ Hitler und die damit verbundenen Drogen, die den „Panzersoldaten verabreicht wurden, um sie so 40 Stunden wach und bei Laune zu halten…“, würde ihr nicht aus/in den Kopf gehen, führt sie weiter aus. Pause.

Des Abends zweiter Teil

Er beginnt mit einem kleinen Werbespot in eigener Sache: www.patverfue.de setzt sich gegen, heute immer noch „angewendete Elektroshocks in Psychatrien ein“, die ungesetzlicherweise angewendet werden würden, meint die Musikerin und Schirmherrin für dieses Projekt.

Nina Hagen singt Brecht.
Apropos Elektro: „Lindner fährt schon Wasserstoff-Auto“, das sei gut.
Sogar Kramp-„Knarrenbauer, äähhh Karrenbauer, versprochen“, bekam ihr Fett weg: „AKK, ihr wisst, wen ich meine! Mit der Vorgängerin durfte ich in einer Talk-Show sitzen, neben Wagenknecht. Ich sagte nur eine Sache, weil man mich nicht in das Gespräch einbeziehen wollte. Ich schlug vor, dass Deutschland ein Ministerium für Frieden und Kultur bekommen sollte. Den Blick von Frau von der Leyen werde ich nie vergessen…“
Alles lacht mit einem Touch an kleiner Genugtuung.

Parallelen zu Brecht

Und immer wieder jongliert Nina zwischen der Vergangenheit und Gegenwart, zieht Parallelen zu Brecht und der heutigen Zeit. Er war „ein bolschewistischer Hallodri“ und doch stand er für den Aufbau des Sozialismus gerade. Schon damals schien es so, als wenn der Künstler, der zeitlebens auch in der Ostzone verbringen musste, versuchte, die Kommunisten bei Laune zu halten, indem er sich zwar nicht verbiegen wollte, jedoch den schmalen Grat der „Meinungsfreiheit“, die es ja in der DDR nie gab, verstand zu gehen. Warum Nina Hagen den Ost-Berliner so verehrt? Schließlich wurde der Dichter im Zweiten Weltkrieg achtkantig aus dem Land gejagt, später, zu DDR-Zeiten NUR hier erlaubt und geduldet, ja, sogar gefeiert.

Fazit – Abend öffnete Augen

Am Ende, so gegen 22:00 Uhr, schien es immer besser zu werden, mit the Voice: „Seht ihr, jetzt habe ich mich schon fast gesundgesungen…“ Auf eine Zugabe, die es sonst immer gab, verzichtete Nina Hagen dieses Mal. Auch wenn das Publikum sie forderte, reichte es doch nur zu mehreren Verneigungen.

Dieser politisch-unterhaltsame Abend öffnete mir die Augen, um noch mehr und aktiv gegen Rechts und Links vorzugehen, sich nichts gefallen zu lassen, was die Wirtschaft diktiert, selbst entscheiden zu können, was zu sagen, zu Essen, zu Trinken und an Klamotten zu tragen ist! Wenn dieser Abend im freiheitlichen Rahmen eines „Friedenskonzertes“ in der Ost-Zone ein wichtiger Bestandteil gewesen wäre (Utopie), hätte sie neben dem „Roten Elvis“ , Dean Reed, dem inszenierten Freiheitskämpfer und willkommenem „Propaganda-Überläufer“ aus Amerika, eine verdammt gute Figur gemacht. Gerüchteweise soll die Stasi den immer mehr unbequem gewordenen Sänger, gegen Mitte der 80-ger, mit einem „Selbstmord“ beseitigt haben…

Nina ist persönliche Ikone

Nina Hagen singt Brecht und ist meine persönliche Ikone und musikalisches Wahrzeichen des Mauerfalles ´89. Sie konnte schon früh aus der Ost-Zone flüchten und mit neuen Songs in West-Berlin, die in der DDR nicht möglich waren, ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Dagegen hatte es Konstantin Wecker „besser“. Als der Anfang der 80-er sogar im Sozialismus in kleineren Sälen, wie auch in der „Halle am Fernsehturm“ in Schwerin touren durfte, sah ich den Liedermacher noch mit ganz anderen Augen. Beide haben eines gemeinsam: den Willen für eine gerechte Welt…

Danke, Nina. Ich möchte ein Interview mit Dir!