CUBA-Facebook-Movimiento San Isidro

CUBA – Die Künstler-Szene rebelliert gegen den Staat

Havanna, Dezember 2020. „Sturz der Diktatur“ – Wird die kommunistische Regierung jetzt durch die neue Künstlergeneration entmachtet?
Das ist zwar eher unwahrscheinlich, da der Polizeistaat schon jetzt willkürlich verhaften lässt und die verbotene Demokratie (mit der Meinungsfreiheit) an der Wurzel gepackt wird, die Streikenden mit angsteinflößenden Mitteln einschüchtert werden – so bestätigt und berichtete es die WELT. Aber die derzeitigen Vorgänge, die der neuen Generation zuzuschreiben sind und die es erneut versucht, sich von Bevormundungen unerträglicher Art und Repressalien zu befreien, setzen einen verdammt deutlichen Akzent.

Zuerst war es CHE, der seinen Diktator

…und die Insel verließ, um seinen eigenen Staat gründen zu wollen, weil der Freiheitskämpfer nicht mit den stalinistischen Vorgehensweisen nach dem Sieg über Batista einverstanden war. Dann wurde Yoani Sánchez, die im Inland von den Roten Socken lange Zeit unterdrückt und verheimlicht wurde, später zur neuen Politik-Ikone Cubas aufstieg, die im Ausland für ihren offenen Mut, das Leben der Menschen durch die Blog-Hilfe spanischer Freunde weltweit öffentlich zu machen, gefeiert wurde. Und nun ist es die neue Künstlergeneration, die Dank des Internets, welches sie seit 2018 auf ihren Handys haben dürfen und durch die Lockerungen nach dem Tod Fidel Castros möglich sind, und so die Öffentlichkeit um Hilfe bitten zu können, wenn sich die neue Regierung taub und stumm stellt, vor weiteren Erneuerungen verschließt. Die Streikenden sind so gut informiert, wie nie zuvor, scheinen ihre große Chance JETZT wahrzunehmen, sich von Unterdrückung und sozialistischen Staatsvorgaben befreien zu können.

Keine Zukunft! ICH lebe in einem Gefängnis und will hier raus!

Künstler aus Havanna

Es geht aktuell um einen Rapper, der wohl willkürlich verhaftet wurde. Was danach wie eine kleine Zusammenrottung begann, vergrößert sich grade mit Hilfe der socialen Medien zu einem größeren Protest, ja, es hätte es sogar das Zeug, eine echte Revolution auszulösen, die die Cubaner nun nutzen könnten, sich unabhängig zu machen. Denn der Ruf danach ist nicht neu.

Wer nicht auf staatstreuer Linie ist, hat, wie in der DDR, einfach keine Chance, sich künstlerisch weiterzuentwickeln. Ich berichtete ja von meinem „Freund“ Miguel, der mittlerweile „heimlich in Verstecken“ seine Tattoo-Arbeiten weitermachen muss, weil es derzeit sehr gefährlich ist, öffentlich seinen „Job“ auszuüben. Schließlich ist es immer noch illegal, ein Farb-Gemälde auf die Haut aufzutragen, das ist gegen das Gesetzt, nicht im kommunistischem Sinne.

Lest auch die spannende Reportage: Sommer ´89 – MEINE irre FLUCHT AUS DER DDR

Cuba-Habana, Februar 2020. Eine wirklich beeindruckende „Geburt“ und dazu heftig und laut dargestellt: Künstlerin Alona Roman ließ in einem Pop-Up Raum einen Performance-Künstler zeigen, wie sich die Kubanische Gesellschaft fühlt… Foto: Jörn Ehrenheim

Anders ergeht es da dem

„Straßen-Sprayer“ 2+2=5, der ja wohl ein Überläufer sein dürfte, wenn er all´ seine Werke in der Fabrika de Arte ausstellen darf? Er ist sowas, wie ein Vorzeige-Artist, mit dem man wohl sagen möchte; ´Schaut alle mal her, wir haben auch Street-Art, und wieee…`

Hier können die Leute einfach verschwinden und keiner weiß, was mit ihnen wird…“, sagt mein Freund Miguel, der sich nun Anfang Dezember ängstlich zu dieser Sache per whats app äußert. Sein Facebook-Account sei, im Gegensatz zu dem von Denis Solis Gonzáles, von der Regierung grade geschlossen worden, weil er Protest-Material über diesen mitverbreitet haben solle. Zwar unterstützt er auch einige weitere Künstler, die sich von der Regierung abwenden, doch traut er sich (noch nicht) auf die Straße zu gehen, wie viele andere, die sich vor dem Kulturministerium versammelt haben, um deutlich zu machen, dass sie sich diese Vorgehensweisen nicht gefallen lassen wollen. „Ich lebe in einem Gefängnis, will hier raus und spare dafür!„, ergänzt er noch. Ob das funktioniert…?

Lest auch: FABRIKA DE ARTE – Wie Cuba sein neues Kunstverständnis präsentiert

KÜNSTLER an die MACHT! Sie haben ein Ausrufezeichen gesetzt! Auf der Facebook-Protest-Seite Movimiento San Isidro – Cultura Y Libertad, dort wird seit Wochen gegen die Regierung und vor dem Kultur-Ministerium Havannas protestiert!

Das betonte in der Vergangenheit übrigens

…auch die Studentin und Malerin ALONA ROMAN, die ich Anfang des Jahres 2020 ebenso in Habana kennenlernte und die auf Facebook ihren letzten Post im September und auf INSTA am 5. Oktober absetzen konnte. Sie setzte bis dahin nämlich einen drauf, traute sich das Unmögliche und versuchte mit ihrer Kunst ihre Gefühle etwas aggressiver und deutlicher, trotzdem verschlüsselt auszudrücken. Dazu ließ sie Anfang des Jahres, auf ihrer ersten und einzig-eigenen Vernissage, die sie mitten in Havanna unbehelligt im engeren Kreis geben konnte, eine echte Bombe platzen und hatte einen Artisten anheuern lassen, der sich aus einem extra dahergekarrten Schneeblockhaufen kriechend und schreiend, sich schleppend, innerhalb 15 Minuten zum hinteren Ausgang kämpfend performte.

Alona´s Inszenierung hinterließ damit eine krasse Botschaft, die sich durch diese Live-Präsentation in mein Gehirn eingebrannt hat, sie diese aber wahrscheinlich so nie wieder aufführen darf: Wir werden geboren, müssen in einem Gefängnis Leben und Arbeiten – und dann Sterben wir hier…!

Ältere, provokantere Werke sind derzeit auf ihren Kanälen nicht mehr abrufbar. Anscheinend sind allerlei Posts und Filme dieser Art verschwunden, die sie mit mir zusammen, noch stolz im Februar produzierte, mich und bat, sie auch von Hamburg aus zu veröffentlichen. Dazu träumte sie von einem VISA, um in Deutschland und der Schweiz studieren zu können. Vermutlich ist der Druck zu groß geworden, der von der Führung ausgeübt zu werden scheint. Denn sie berichtete mir damals schon, dass sie von ihrem Lehrer genötigt werde, weil sie sich traue, zu rebellieren…: „An den aktuellen Aktionen beteilige ich mich nicht, es ist einfach zu gefährlich, jetzt dadurch alles zu verlieren…“, schreibt sie mir per whats app.

Damit vergibt die Habanesin ihre vielleicht einzige Chance, ihr Leben und das des ganzen Landes zu verändern. Wir, aus der Ostzone kommend, haben unsere Revolution zum Glück durchziehen können…

Die Polizei verhaftet derweil einzeln und gezielt „Querulanten“, direkt von der Straße weg, welche in Fotos und Videos, die mir zugespielt wurden, gezeigt werden. Auch solle es vermehrt gegen Tattoo-Stuben gehen, die teilweise in den eigenen vier Wänden eingerichtet wurden, die man bestrebe auszuhöhlen und damit zu schließen, meint Miguel. Davor habe er ein wenig Angst, denn die Utensilien, die zum Stechen nötig sind, haben sehr viel Kohle gekostet, sagt er noch…

Die Stimmung in Havanna scheint zu kippen

Ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass das Land aufsteht und die Regierung stürzen könnte? Denn halbe Sachen, so wissen wir es aus der Ost-Geschichte, machen hier keinen Sinn. Ein gewaltsam aufgelöster Hungerstreik von ca. 150 Künstlern, wie es ganz klar die WELT berichtet, den es laut dem sozialistischem Staats-Organ „Granma“ nie gegeben habe, und welches, wie üblich, wieder einmal verordnete Propaganda verbreiten zu scheint, um alle auf klare Linie zurückbringen zu wollen, werden es es wohl lange Kämpfe werden…

Sie wollen weiter machen. Wir bleiben dran…