Miguel – Tattoo-Künstler in Havanna.

TATTOO-Kunst in Havanna: „Auf Kuba sind nur die Herrscher gute Brüder!“

TATTOO-Kunst auf KUBA – Wie Corona und Krieg die Szene durch mehr Armut beeindruckt.
Kaum was zu essen. Dazu eine harte Aussage: „In Kuba sind nur die Herrscher gute Brüder!“ Das bedeutet, dass das Volk sich selbst überlassen ist. 

Die Fabrica de Arte ist nicht mehr dicht. Das Volk ging auf die Straße, weil es das Kommunisten-Regime nicht mehr haben wollte und dieser Mann hier, der will ebenso sein Heimatland verlassen, weil die Einschränkungen und Gängelungen, wie er es mir schreibt, zu immer mehr Verboten führen. Auf 5000 Festnahmen folgten schnelle Verurteilungen, um die Häftlinge auf den Knast-Inseln schmoren zu lassen, die nach und nach zu teilweise 25 Jahren verdonnert wurden.
ER ist immer noch da und plant seine Flucht aus Havanna. 

Kuba: Wie TATTOO, Kunst und Armut (nicht) zusammenpassen

August 2022.: Das gesamte Land ist depressiv, liegt in „tiefer Trauer“ und wieder einmal sind an allem NUR die Amerikaner schuld, wegen „der Blockade“. Ich habe immer noch Kontakt zu einem meiner unzähligen „Freunde„, die mir täglich auf der Straße zugespielt wurden: „Die Lage ist schlecht, wir haben kaum was zu essen und der Strom ist selten…“

Das sich Kuba seit Jahrzehnten selbst blockiert, begreifen die roten Hardliner immer noch nicht. Weiter antwortet mein Karibik-„Bruder“: „Es werden jetzt kostenlose Visa ausgeben, die es uns erlauben, in irgendwelche Drittländer zu reisen. Besonders Nicaragua ist im Visier von uns. Von dort aus wollen wir sehen, was geht…“, schreibt mir einer der bekanntesten Tattoo-Künstler Habanas über whats ap. Mittlerweile nehmen Zehntausende diesen Weg, um aus dem verarmten Land zu kommen.

Diese Fluchtwelle sei ein ganz normaler Zyklus, sagt die Regierung plötzlich offen dazu, um wieder einmal die Wahrheit zu verharmlosen. Russen bleiben als Touris aus und die Europäer kommen ebenso kaum in die Karibik, weil kürzere und damit andere Ziele einfach interessanter sind. Dahin, wo es noch was zu essen gibt…

Havanna, Januar 2020 – Oktober 2020.
Miguel und seine Kunst, vom Insider zu einem der bekanntesten der Karibik-TATTOO-Szene aufzusteigen. Auf Kuba „putzt man sich jetzt die Zähne mit Salz“, weil es viele Produkte, auch gar nicht in den Dollar-Läden geben solle! Diese täglichen Probleme lassen sich kaum mit Geld lösen, weil die Produkte, die es zum Leben braucht, knapp und damit teuer sind.

Havanna. Die Tattoo-Wall by Miguel, er hat sich aus den USA und Europa alle Utensilien zusammengeholt.

TATTOO-Kunst auf KUBA: Wie Corona und Krieg jetzt Armut bringen

Er ist ein sportlicher und trendiger Typ, musste viel Geld an die Polizei bezahlen, weil er mit einem Skateboard erwischt wurde, als er damit durch die Straßen fahren wollte. Widerspruch: Auf dem Malecon ist das seit einem Jahr geduldet. Unter anderem könnte es sein, dass er wegen dieser Ungerechtigkeiten aus Kuba wegzukommen versucht, er raus aus dem Repressalien-Staat möchte, mit dem wir ebenso unsere Erfahrungen machen mussten. Daher sucht er Gelegenheiten um ausländische Freundschaften aufzubauen, die dank der neuen Möglichkeiten sogar gehalten werden können…:

In Miguels Tattoo-„Studio“, inmitten Havannas. In seiner Wohnung findet die Beratung, die privaten Treffen und auch das Stechen statt. 

ICH lernte dieses Jahr einen

TATTOO-Künstler in HAVANNA kennen (Januar, Februar 2020) der sich die gewährten, heimlichen Freiheiten zunutze machen, sich sofort ein Smartphone besorgen konnte. Aus gemachten Netz-Bekanntschaften wurden weltweite Szene-Beziehungen geknüpft, die ihn unterstützen konnten, von der Regierung jedoch nur geduldet werden. Zur Tattoo-Convention in der Fabrica de Arte präsentierte er sogar sein Können, zeigte wieder einmal, was er drauf hat, und das irrerweise sogar legal!

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Masken-Pflicht in Havanna. Miguel und Carol – auf Cuba gelten härtere Corona-Regeln, als in Europa.

Es gibt immer weniger Materialien

Derzeit kann er sich noch mit Aufträgen in seiner Wohnung über Wasser halten. Aber es werde eng, weil es schwierig sei, an Materialien zu kommen, schreibt der 25-jährige mir ganz aktuell, im Oktober 2021, per whats app. Miguel ist einer, der im Zentrum der Hauptstadt Kubas lebt und der schnell auf den neuen Zug mit aufsprang, weil sich nach dem Tod Fidel Castros einiges änderte, nun auch die Selbstständigkeit erlaubt wurde, es dadurch möglich ist, sich mit einer Dienstleistung nützlich zu machen. Sogleich eignete er sich alles an, was es braucht, um Tätowierer zu werden.

Wie 2018 alles begann

Da offiziell dieser „Gewerbezweig“ verboten ist, entwickelte sich schnell eine Underground-Scene, die unaufhörlich wächst. Durch Kontakte ließ er sich aus dem Ausland einen Laptop und Tinte schicken, dazu auch eine Nadelmaschine und fing langsam an, Gemälde zu entwerfen, sie aus einem ebenso besorgtem Drucker zu jagen, um die dann auf die Haut auftragen zu können.

Havanna. In Miguels Studio – An seinem Laptop entwirft der Künstler seine Vorlagen, die er dann auf die Haut tätowiert.

Aus seiner zwei Zimmer Wohnung heraus

…, in der kühle Luft nur über eine billig-laute, zweitklassige Klimaanlage gezogen wird, weil es keine Fenster gibt, baute er sein Zuhause zum provisorischem „Studio“ um, mit Liege und einigem, was dazugehört. Wegen des Verbots kann er keinen Raum in der Öffentlichkeit mieten. Vorteil – Er ist so in der Lage, für einen Bruchteil der westlichen Preise ein Tattoo zu stechen, in Farbe oder Schwarz-Weiß.

Und die Leute stehen Schlange. Bei ihm einen Termin zu bekommen, das war bis März 2020 fast undenkbar, weil der Nachholebedarf der Ausgehungerten des Sozialismus kaum zu decken war. In der Szene wurde Miguel einer der Bekanntesten der Stadt, der sich besonders auf INSTA darstellt. Nun sieht die Lage ein wenig anders aus: „Nur noch drei Tage in der Woche ist was zu tun. Mein Partner, der hier wegen der früheren guten Lage täglich aushalf, ist auf Teilzeit. Vorallem ist es derzeit schwer an Materialien zu kommen. Wir benötigen Hilfe von außen…“.

Aber die Trump-Regierung hat schon vor Jahren die Zügel wieder scharf angezogen, um Kuba in die Knie zu zwingen. Mit der Begründung, dass das Fidel Castro-Erbe weiterhin sein Volk unterdrücke, sei die Entscheidung zu rechtfertigen, dass Geldspenden und Überweisungen rapide eingeschränkt würden.

Havanna. Noch im Februar waren Masken gar kein Thema und wir tanzten in der Fabrica de Arte vor den Werken des Fotografen Enrico Rottenberg: Miguel und ICH.

Völlig kurios – dieser Service ist nicht erwünscht

Und den Machthaber ein ordentlicher Dorn im Auge. Wirklich? Ja, denn es ist zwar erlaubt eine Signierung auf seinem Körper zu haben, aber nicht anzubieten. Eine klare Antwort erhalte ich nicht, als ich wissen will, ob die Polizei Schweigegeld einsammeln würde, damit er seinem Geschäft ungeschadet nachgehen könne. Schließlich sind wir selbst, als Touristen, immer wieder den Repressalien der Beamten ausgesetzt worden, indem wir Wegegelder zahlen mussten, OHNE Rechnung, wenn wir zusammen als „Freunde“, auf dem Weg an den Playa SANTA MARIA del Mare oder anderen Locations unterwegs waren!!!

Screenshot by Magotattoos Habana. Hier zeigt Miguel seine Arbeiten, an realen Körpern. 

ACHTUNG – Polizei zockte ab

„Es muss sich wieder mal was ändern, denn alleine schon wegen der Steuern muss der Staat reagieren…“, sagt seine französische Freundin schließlich, die sich an dem Gespräch beteiligt. Sie plante solange bei ihm zu bleiben, bis sie mit dem Musik- und Tanz-Studium, in ca. einem Jahr fertig sein wird.
Derzeit gibt er aus seinen Einnahmen fast alles für Nahrungsmittel aus, auch in den neuen Dollarläden, die importierte Waren gegen Devisen anbieten. „Wer hier auf der Strecke bleibt, sind jetzt die Armen, die keinerlei Kontakte gen Westen haben!“ Denn es sei alles so verteuert worden, weil auf der Insel wirtschaftlich einfach nicht viel laufen würde, meint der Künstler.
Ein Insider berichtete noch ergänzend dazu, was ich von den Einheimischen nicht direkt erfahre, und zwar dass ein Shampoo jetzt 15,-€ kosten und es Zahnpasta erst gar nicht mehr geben solle: „Sie putzen sich die Zähne mit Salz!“, will er aus erster Quelle wissen.
KRASS!

Wir verbrachten im Winter diesen Jahres einen fantastischen Sommer, im Januar und Februar, auf der Karibik-Insel. Virus-Alarm war da noch kein Thema. Schon am ersten Tag lernten wir uns kennen und haben heute immer noch Kontakt. Miguel’s französische Freundin ist schon seit Monaten wieder zurück in Paris, wartet die CORONA-Lage ab und will dann zurückkehren, nach Havanna.
Wir planen in den nächsten Jahren ein Wiedersehen…

Nachwort

Kuba kann sich wegen seiner starren Regeln nicht selbst helfen, wartet auf Reformen, die in deutschen Linken Zeitungen seit Jahren angekündigt und nicht umgesetzt wurden, weil sie anscheinend nicht wissen, wie sie es machen sollen. Das Land pfeift derzeit wegen CORONA aus dem letzten Loch, was durch die immer noch sozialistisch geprägte Regierung nach den Castro-Brüdern auch noch gefördert wird.

Zur Lage

Denn die Blockade, die der Kommunisten-Staat seinen Bürgern seit gefühlt 50 Jahren immer noch selbst auferlegt und die durch die USA unterstützt wird, ist auch noch durch Corona verstärkt worden, die nunmehr einen gewissen Höhepunkt nachdem Wegfall des Ostblockes erreicht hat. Nun öffnet sich Kuba, eher aus der Not heraus, wieder für Touristen. Es mag eine Verzweiflungstat sein, als alles andere.

Durch die Lockerungen seit 2018, wie Handy- und teure Internetnutzung, sind die Menschen besser informiert, als jemals zuvor und haben so die Möglichkeit gegen die interne Propaganda anzugehen. Um sich selbst ein Bild machen zu können, was nicht nur die Roten Socken so in ihren Tageszeitungen verbreiten, surfen sie durch das lahme Netz, können in Zeitlupe oder manchmal eben gar nicht sehen, was es sonst noch so in der Welt für interessantere Neuigkeiten gibt. Über what’s app schicken sie sich persönliche Tages-News, wie ‚eine Ecke weiter, da gibt’s heute „Bananen“. Aber ihr müsst schnell sein…‘