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Sensation auf der Bühne: Strunk´s Der Goldene Handschuh

Der Goldene Handschuh ist auf allen Gebieten derzeit ein Thema: Live, immer noch im damaligen (fast) Original, auf dem Hamburger Berg zu erleben, per Lesung, nach ca. 100 Sitzungen vor Ort, vorgetragen von Hans Strunk und als Hör- und Buch erhältlich, bald von Fatih Akim als Horror-Drama verfilmt und gerade noch auf der Bühne als Stück im Schauspielhaus zu sehen. Letzteres habe ich mir, nach etlichen und eigenen Stippvisiten in der Honka-Stube, nun ansehen können. 

Auf lange ausverkauft und wirklich sehenswert kommt Studio Braun daher und zeigt uns allen auf der Bühne, wie es gewesen sein muss, als Fiete seine „Opfer“ aus der Rundumdieuhrkaschemme abgeschleppt hat, um sie zu versklaven und zu killen. Heinz Strunk spielt dabei den Alt-Boxer, der nach seiner großen Karriere seine Kohle in eine Kneipe steckt, damit dort unendlich gefeiert werden kann: „Oben rein und unten sofort wieder raus…!“ Unter diesem Motte ließ er die „Pissbecken“ gleich am Tresen anbringen, damit keiner den wichtigsten Ort, nämlich seinen Sizthocker, verlassen musste. Ob das in echt so war, ist mir nicht bekannt, denn wenn ich heute dort einkehre, gibt es im Keller und Parterre eingebaute Klos. Aber für die Geschichte und das dazugehörige Flair klingt auch das echt abgefahren und glaubwürdig.

: hinten: Rocko Schamoni, Heinz Strunk, vorne (v.l.): Bettina Stucky, Lina Beckmann, Rica Blunck, Charly Hübner, Jacques palminger © Sinje Hasheider, 2017

: hinten: Rocko Schamoni, Heinz Strunk, vorne (v.l.): Bettina Stucky, Lina Beckmann, Rica Blunck, Charly Hübner, Jacques palminger © Sinje Hasheider, 2017

Super, durch die „Schauspieler“ gespielte Charaktere, eine irre Bühnenpräsenz und eine gespenstige Atmosphäre vermittelt mir in der dritten Reihe eine bedrückend-abgefuckte Stimmung. Sie bewegen sich zuckend, als wenn sie ihres Körpers und ihrer Sprache nicht mehr Herr sein würden, zeigen glaubhaft, wie der Alk die Figuren fertig gemacht haben muss.

Wie oben angedeutet, war ich ja selbst auf den Spuren Honkas unterwegs und habe das abgewrackte Untergrundleben heute noch erlebt. Egal, wann man dort einkehrt, die Bude ist immer geöffnet und immer ist was los…

Gescheiterte Existenzen mischen sich unters Partyvolk und Anzugsträger, die auf Shit-Verkäufer und Hobbynutten treffen, die überwiegend vor und ja, auch im Laden ihre Dienste anbieten wollen. Dieses Milieu versucht außerdem noch, in die Taschen zu greifen um Geld und Handys zu klauen. Darum ist gerade am WE ein „Türsteher“ da, der mit Handschuhen eingreift und diejenigen sofort achtkantig rauswirft, wenn sie stibitzen wollen.

Deutsches SchauSpielHaus Hamburg: „Der goldene Handschuh“ von Studio Braun. Uraufführung am 18.11.2017 im SchauSpielHaus. Foto: Ensemble © Sinje Hasheider, 2017. Die Bilder dürfen im Rahmen der Ankündigung und Berichterstattung unter Nennung des Copyrights honorarfrei genutzt werden. Bitte senden Sie uns ein Belegexemplar an presse[at]schauspielhaus.de. Kontakt zur Fotografin: 0163 1905732 / info@sinjehasheider.com

Deutsches SchauSpielHaus Hamburg: „Der goldene Handschuh“ von Studio Braun. Uraufführung am 18.11.2017 im SchauSpielHaus. Foto: Ensemble © Sinje Hasheider, 2017.

Diese brutale Gesellschaftssatire ist heute immer noch aktuell, und darum nicht nur wegen der spitzen Umsetzung sehenswert. Sie zeigt Menschen und ihre Abgründe, geballt auf einem Haufen, die versuchen, irgendwie ihre Vorteile herauszuschlagen und so auf niedrigstem Niveau zu überleben. Wenn man glaubt, Zeiten hätten sich geändert, dann irrt er, der Ungläubige. Es ist so, wie auf Cuba – zwar kommen die Touris nun in Scharen, aber die Nutte ist nicht aus dem Dorf zu prügeln. Oder war das anders herum…?