Nachvisite: GOLDENER HANDSCHUH – ein Astra in der Honka-Stube
Nachvisite: Goldener Handschuh – zwischen 2014 – 2019 und dann wieder ab 2024. St(r)ip-Visite und Erlebnisbericht zum Film DER GOLDENE HANDSCHUH von Fatih Akin und auf nen „Ficken“ und nen „Lecken“ in die Honka-Stube reingeschaut!
Umgedrehte Welt! Diebstahl, Party, Prügeleien, Muff – im Goldenen Handschuh kann man rund um die Uhr (fast) alles erleben, was möglich ist. Darum geht auch nichts mehr ohne private Security. Fast das ganze Jahr lang, außer an Weihnachten, ist ohne Pause durchgehend geöffnet.
Eine der berühmtesten Absteigen, über die es schon Hör- und Bücher, auch den Film von Fatih Akin gibt, hat auch heute noch Stoff für ganze Tagebücher zu bieten.
ICH bin dort ab und an aus Neugier abgestiegen, hängengeblieben, um den ein oder anderen „(S)Trip“ zu erleben und wollte wissen, ob es dort immer noch brisant zugeht, so, wie man es von Erzählungen, zum Beispiel von Heinz Strunk kennt.
Schon im April 2016 saß ich ein ganzes WE, von Fr. bis Sonntag, oder eben auch mitten in der Woche in der „Honka-Stube„, zur beschriebenen Momentaufnahme.
Heute sind diese Geschichten immer noch live erlebbar:
Honka-Stube: Hier, im Goldener Handschuh trifft man sie zur Nachvisite wirklich alle
Gescheiterte Existenzen, Transen, Prostituierte, besonders nach Mitternacht und/oder die Anzugsträger stolpern hier rein, sowie neuerdings auch Studenten, plus nach dem gestiegenen Bekanntheitsgrad – Partygänger und Touris.
Richtig nervig – vor der Tür der Honka-Stube (so wird das „Loch“ auch scherzhaft genannt) werde ich von schwarzen Dealern sofort „freundlich“ empfangen und aufdringlich gefragt, wie es mir denn gehen würde, bevor ich überhaupt die Schwelle einer der bekanntesten Kneipen Deutschlands betreten kann. Der Grund der Ansprache ist, ob ich nicht ihr gepanschtes Pulver „kaufen“ möchte. Sie hätten alles da, meinte der eine noch. Nein, das will ich nicht, da meine Drogen Kaffee, Wasser und Cola sind.
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Der Fußboden klebt heute nicht mehr so, als wenn´s keinen interessiert
Nachvisite: Goldener Handschuh. Es klebte, wie erwartet und mir bekannt, der Fußboden noch von den Tagen und Nächten zuvor, als wenn gerade eine ganze Tonne Bier ausgekippt worden wäre. Das ist heute nicht mehr so, denn zwischen vier und sechs Uhr wird dicht gemacht. So stank auch die Luft, wie aus einem Mix aus kaltem Rauch und ich weiß nicht was, obwohl es Sonntagmittag ist, wenn ich die Uhr richtig verstehe.
Die Musikbox läuft und läuft und spielt gerade einen Song von Snoop Dog, Justin Timberlake oder Marianne Rosenberg. „Es geht eine Träne auf Reisen“ von Adamo, der auch damals in der Ostzone ein makaberer Hit war, vermisse ich (fast) schmerzhaft. Irgendwann ist die Lautstärke so hoch geregelt, dass kaum noch jemand sein eigenes Wort versteht.
An den wackligen Stangen tanzt irgendeine Frau mit geschlossenen Augen und konzentriert sich komplett auf den Text. Andere prosten sich zu und wippen mit dem Takt. Einige „Besucher“ kennen sogar die jeweils vierstelligen Nummern jedes einzelnen Titels auswendig und rufen sie denjenigen zu, die gerade 2 Taler in den Schlitz werfen wollen, damit die Stimmung oben bleibt.
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Dani erzählt ihre Le(i)bensgeschichte
In diesem Fall ist es Mittwochmorgen, 11:00 Uhr und es ist, wie oben beschrieben, schon gut was los hier. Drinnen, gleich am Tisch, gleich links am Fenster, da, wo der ASTRA-Lichtzug so stark leuchtend prangt, die vergilbte Gardine dadurch erst richtig Gelb leuchtet, dort sitzt Dani. Sitzen? Naja, eher liegt die da, mit ihrem Kopf seitlich auf die Arme komfortiert und so schon ein paar Stündchen schlafend, weil die auch schon den dritten Tag in dieser Location verbringt.
Ihren Namen weiß ich deshalb, weil die irgendwann am Nachmittag plötzlich aufwachte, ihren Schopf hob, dabei mit unkontrollierten Gesten die Bierflaschen vom Desktop kegelte, mich dann relativ schnell erblickte und sofort nach ´ner Kippe fragte. „Eeeh, haste ne Zieese da…?“, schrie die laut rüber und gestikulierte dazu mit ihren Armen wild umher, um weiter Aufmerksamkeit zu erhaschen. Hab´ ich nicht, weil ich ja seit zehn Jahren nicht mehr rauche. Jetzt stellt sie sich zu mir an meine Tresen-Ecke, weil ihr mein irrer und mittlerweile wild wachsender Bart imponiert. Auf den ersten Blick sieht die ganz hübsch aus und ich frage mich, was die hier will.
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Nachvisite: Goldener Handschuh – Drogen, Flucht, Gewalt – Dani packt aus
Nun kommen wir erregt ins Gespräch und sie kuschelt sich vertraut an mich, als wenn wir hier verabredet gewesen wären. Sogleich erzählt mir die 35-jährige ihre ganze Leidensgeschichte, wer sie verprügelt haben will, dass sie manisch-depressiv sei, hier wegen zu viel Kokain nen Herzinfarkt bekam, im Krankenhaus gerettet wurde und warum sie gerade und eigentlich jetzt von Zuhause, also vor ihrem Mann, mit dem sie noch eine Wohnung auf dem Dorf hat, für eine Zeit lang abgehauen, auf der Flucht sei. Der würde sie bestimmt schon vermissen, suchen lassen, bildet sich Dani ein. Plötzlich spricht sie das Thema an, was alle interessiert: „Ich will unbedingt noch in den Film rein, den muss ich sehen…“
Sogar der Tresenmann bescheißt hier…
…jedenfalls gelegentlich und nicht immer. Allerdings hat das Personal in den letzten Monaten durchgewechselt. Inmitten des Ladens, da stehe ich zwischenzeitlich, an der Tresenecke und habe den Eingang genau im Blick, kann so checken, wer rein und rausgeht. Ich erfrage, ob ich ´n Selfie machen kann und bestelle mir mein Astra, weil sie kein Radler haben: „Aaaah, ein Astra…“, gibt der Tresenmann von sich, weil er meine Bestellung erst nicht verstehen wollte. Und das Trinkgeld hatte er sich auch schon ausgerechnet und einfach gleich einbehalten. Als wenn ich das nicht merken würde, sind von den 2,20,-€, die das Bierchen kostet, 30 Cent gleich seine, die er einfach einbehält. Er kassiert also 2,50-€, ohne zu fragen, ob das OK sei. Ich bin über diese Dreistigkeit überrascht, sage nichts und nehme das so hin. Ein paar Jahre später, also heute, im Jahr 2024 kostet es wirklich soviel.
Achtung – die Polizei kommt
Nachvisite: Goldener Handschuh – Blaulicht! Peterwagen rauschen heran. Beamte steigen aus und kümmern sich um einen Sachverhalt, der gerade vor ein paar Minuten passiert sein muss. Ich bekomme mit, dass einem jungen Mann direkt hier im Laden aus seiner Jacke Handy und andere Wertgegenstände gestohlen worden sein müssen. Jedenfalls behauptet er das. In nicht mehr als 10 Minuten sind die Volksbegeher wieder weg und einige weibliche Gäste entspannen sich, holen die zuvor schnell am Tresen abgegebenen Kleidungsstücke mit den Kommentaren: „Glück gehabt“ ab.
Diebstahl – Meine Jacke ist (fast) weg!
Einleitung. Grundgesetz: Artikel 1, Absatz 1 der gü(l)tigen Hausordnung: In dieser Kaschemme muss man, und besonders Frau, bevor dieser Laden betreten wird, alles festhalten, was nicht niet- und nagelfest am Körper ist. Tathergang. Wir shaken gerade nach der lauten Mucke auf den Tischen unsere Körper und schweben um die Tanz-Stange herum. Plötzlich ergreift einer völlig selbstbewusst meine Jacke, die ich auf dem Tisch zappelnd natürlich voll im Auge habe und fordere ihn sogleich forsch auf, die da liegen zu lassen. Aber daran denkt der Betrunkene gar nicht. Also hebe ich meine Hand- im überfüllten -schuh. Mein erhobener Blick sucht und findet sofort die in zivil bereitstehende Security und winke sie heran. Ohne Zucken wird der Dieb rausbegleitet, mein Jacket bleibt. Wenig später ist genau der aber wieder drin und startet hartnäckig einen erneuten Versuch, meine Sachen mitgehen zu lassen.
Wwwumms! Dieses Mal fliegt der achtkantig raus, sodass man es klatschen hören kann…
Nachvisite: Goldener Handschuh – Ein Angebot zur „Entspannung“
Ein wenig angebliche Entspannung gefällig? Auch dafür ist diese Adresse bekannt. Denn wieder und wieder betritt eine vollgedröhnte Hobby-Nutte den Goldenen Handschuh, das ganze WE lang. Drei Tage und genauso viele Outfits, die sie irgendwo gewechselt hat. Ich glaube, nicht richtig zu schauen und hoffe, dass die mich nicht anspricht. Aber sogleich steht die neben mir, lässt ihre Zunge an ihrer Ober- und Unter-Lippe langsam kreisen und schaut mich dabei provozierend an. Sie fragt, ob sie was trinken kann.
Natürlich kann sie das, wenn die selbst bezahlt, denn dafür ist der Laden ja da. Dann kommt die allerdings alles entscheidende Frage, ob ich mich nicht mir ihr für eine bezahlte Unterhaltung in den Keller begeben wollen würde. Nein, das möchte ich nicht. Schließlich weiß ich, wie ekelhaft die Klos stinken, keine Luft so dick steht, wie dort.
Außerdem lasse ich keine Crack-Tussi an mich ran, weil die sicher unberechenbar sind. Die abzuschütteln, ist nicht einfach. Dazu behalte ich meine Jacken- und Hosentaschen im „Blick“, sonst ist mein ganzes Kleingeld futsch…!
Und die Fäuste fliegen auch noch
Und als ob das nicht schon genug wäre, beginnt einen Augenblick später eine heftige Keilerei. Fäuste fliegen, ich gehe in Deckung und verstecke mich hinter dem Pfeiler am Tresen, warte minutenlang geduldig, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Was war denn nun schon wieder? Jemand, der mit seinem achtkantigen Rausschmiss nicht zufrieden war, brachte ein paar „Freunde“ mit und wollte das noch einmal ausdiskutieren…
Zuhause ziehe ich meine stinkenden Klamotten aus. Schnell in die Waschmaschine mit dem Zeug, damit ich diesen Geruch nicht in der Wohnung verbreite. Das wäre wirklich der „Supergau“, wenn ich dieses Feeling noch in meinen Gefilden haben muss, denn wie eingebrannt riecht die Jacke nach vermufften und alten Zigaretten. Von meinem weißen Hemd ganz zu schweigen…
Voll geil: Hörbuch und Film sind da
Als Heinz Strunk sein Hör-Buch „Zum Goldenen Handschuh“ veröffentlicht hatte und einen Auszug vor ausverkauftem Haus vorlas, saß ich in vorderster Reihe des Theaters. Er hatte sich einen ganze besonderen Fall noch einmal zur Brust genommen, nämlich den von „Fiete“, Fritz Honka.
Jetzt hat Fatih Akin nachgelegt und den Goldenen Handschuh in Perversion verfilmt. Wie ich den Film beschreibe, das lest ihr hier.